Heute ist Samhain oder Halloween, wie einige es nennen. Im Jahreskreis ist dies der Tag, um die Vergänglichkeit, das Sterben und den Tod zu ehren. Die Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November gilt seit Urzeiten als heilig und der Vorhang zwischen den Welten ist nun besonders dünn. Das Wetter spiegelt es dieses Jahr perfekt: Ein dicker Nebel hängt über dem Land, der Himmel ist grau, das Laub bunt. Auf den Wiesen sehe ich Spinnweben, die voll von Wassertropfen hängen.
Die Göttin, die heute über das Land streift, ist eine meiner Liebsten. Vielleicht auch deshalb, weil sie so oft missverstanden und verkannt wird. Sie liebt die Dunkelheit, das Sterben und gibt sich gern mysteriös. Sie ist die Göttin des Todes, der Unterwelt und im Jahreskreis verkörpert sie die „Weise Alte“. Der Nebel dieser Jahreszeit hüllt sie in ein Mysterium. Das Mysterium der verschiedenen Welten und Dimensionen, das Mysterium der „anderen Seite“, das Mysterium von Leben und Tod, Licht und Schatten. Kulturell ist sie unter anderem als Hel, Ereskigal, Kali und Hekate bekannt.

Bewusst begegnete ich dieser Göttin das erste Mal als ich 12 oder 13 Jahre alt war. Es war Liebe auf den ersten Blick! Ich gab ihr sofort einen Platz in meinem Herzen und meinem Leben und freute mich sehr. Aber ich hielt sie geheim, aus Angst vor den Reaktionen im Außen. Irgendwie passte sie so gar nicht in meine damalige äußere Welt. So sehr ich mich über sie freute, so groß war auch der Schmerz, sie nicht aus meinem Inneren heraus ins Außen tragen zu können. Wie sollte ich das tun, wo sich doch so viele vor ihr fürchteten? Würden die Menschen, meine Familie, sich dann auch vor mir fürchten? Wäre ich dann allein? Ebenso ungeliebt und verachtet?
Diese Fragen beschäftigten mich und begannen mich zu bedrücken. Dies ist einer der Gründe, warum ich als junge Frau den Beruf der Bestatterin ergriff. Für mich war dies eine Möglichkeit auf gesellschaftlich akzeptierte Weise die dunkle Göttin zu verkörpern – auf eine sanfte, mitfühlende und hilfreiche Art, wie ich fand. Es war sehr erleichternd für mich, für sie endlich einen würdigen Platz in meinem Außen gefunden zu haben.

Wenn die dunkle Göttin des Todes und der Vergänglichkeit keinen Platz in unserem Leben bekommt, wird sie schrecklich wütend und kann auch wild und grausam werden. Achten wir sie jedoch und geben ihr einen Platz, dann besänftigen wir sie. Zum Beispiel dadurch, dass wir regelmäßig prüfen, was in uns sterben muss, was uns nicht mehr dient im Leben. Ignorierst oder fürchtest du sie, wird sie wütend. Sie ist sehr machtvoll und ihre Wut ist dann oft zerstörerisch. Wenn wir nicht zu Lebzeiten loslassen und sterben lernen, dann werden wir irgendwann nicht mehr gefragt und nicht mehr sanft gebeten, sondern dann wird verändert! Erbarmungslos. Wir haben dann unsere Schöpferkraft und unser Recht auf Mitgestaltung des Lebens abgegeben. Und dann gestaltet Kali-Ma im Alleingang, was sehr unangenehm für uns werden und Formen wie Leid, Krankheit und Verlust annehmen kann.
Nichts ist beständig, nur den Wandel! Diese machtvolle, dunkle Göttin sorgt für die Einhaltung dieses heiligen Gesetzes. Das hat sie bei manchen unbeliebt gemacht. Aber das ist nicht ihre Schuld, sondern wurde durch unsere Ignoranz und Missachtung der Gesetze der Schöpfung verursacht. Ihre Grausamkeit entstand durch unsere Verdrängung, denn sie kann auch liebevoll und sanft sein. Glaubt mir!
So lasst uns diesen Tag und den kommenden Monat November mit all seinen Totenfeiertagen nutzen, um dieser Göttin zu huldigen, ihr einen Platz zu geben, damit sie sanft und milde bleibt. Sie will, dass wir leben. Sie arbeitet FÜR uns. Sie arbeitet genauso für das Leben, wie jede andere Göttin auch. Sie ist die, die reinigt, damit wieder Ressourcen für das Neue frei werden, das geboren werden will. Sie ist quasi auch die Göttin des Komposts. Jeder, der einen Garten hat, weiß: guter Kompost ist das A und O für eine ertragreiche Ernte. Kompost sind zerlegte tote Pflanzen, die den Nährboden für die neuen Saaten bilden, aus denen dann wunderbare Blüten und Früchte erwachsen. Wir brauchen sie, die Zerstörerin, die große universale Putzfrau!
Lasst sie uns ehren und aus unseren inneren Toden und äußeren Veränderungen Feste und Zeremonien der Schönheit machen. Bestattet alles Überholte mit Hingabe, werft euren alten Gewohnheiten und Anteilen Blumen hinterher, dankt ihnen für den Sinn und Nutzen, den sie hatten. Bereitet ihnen einen Pfad aus Blütenblättern, auf dem sie ins Dunkle zu ihrer Verwandlung schreiten können. Und dann seid bereit für die Offenbarung neuen Lebens. Denn sie, die zerstört, hat eine Zwillingsschwester, welche gebiert.
Und wenn ihr überall dies weinen müsst, dann weint, dann trauert. So lang bis euer Herz wieder leicht wird. So wie das Leben in der Natur sich nun zurückzuziehen beginnt, dürfen auch wir immer wieder Rückzug und Geborgenheit suchen und trauern, um das, was geht und gegangen ist.
Ein von Herzen gesegnetes Jahresfest wünsche ich euch heute… und viel Glitzer und Gefunkel in all der Dunkelheit!